In den inneren Kampfkünsten gibt es einige Schlagtechniken die für ihre hohe Wirkung bekannt sind.
Einige dieser Techniken erzielen die Wirkung durch die äussere Technik, wie zum Beispiel Schläge die den Peitscheneffekt nutzen und es gibt Schläge wie den hier beschriebenen Schläge, bei dem die Wirkung durch eine spezielle Körpersteuerung zustande kommt.
In diesem Artikel möchte ich versuchen zwei mögliche Parameter der so genannten weichen, relativ langsamen Schläge zu beschreiben und die damit verbundene, überraschend hohe Wirkung zu erklären.
Es gibt noch einige weitere Methoden die einzeln oder in Kombination mit dieser Methode funktionieren und vielleicht in einem späteren Artikel besprochen werden.
Die zwei Parameter sind:
1. Der Dead Shot Hammer Effekt
2. Die Überlistung der Körpersteuerung der Partners
Die Physik
Der Deadshot Hammer Effekt
Ein “Deadshot Hammer”, auch “No Rebound Hammer” genannt, ist ein spezieller, innen hohler Hammer. Dieser Hohlraum kann mit Metallschrot oder auch Öl gefüllt sein. Hämmer dieser Art sind konzipiert um auf engem Raum, hauptsächlich durch die Unterdrückung des Rückstosses hohe Schlagkraft zu entfalten. Meist wird der Zuwachs designabhängig mit um die 50% gegenüber einem normalen Hammer angegeben.
Der Effekt wird durch einen zweiten Impakt, der direkt auf den ersten Impakt folgt erreicht. Beim Schlag wird durch die Massenträgheit die Füllmasse im Hammer in die dem Schlag entgegengesetzten Richtung verschoben. Schlägt der Hammer ein, kommt es sofort danach, bevor ein deutlicher Rückschlag eintreten kann zu einem zweiten Aufprall durch die nun herabstürzende freie Masse im Hammerkopf. Der Hammerkopf wird dadurch tiefer in das Ziel getrieben und kann fast seine volle Energie übertragen.
Beim “Deadshot Hammer” ist die nachwappende freie Masse innen, beim menschlichen Körper ist es die weiche Masse des Körpers, also die nicht angespannte, am Schlag nicht aktiv beteiligte Muskulatur, weiches Gewebe, Haut, Flüssigkeiten usw. und der eigentliche Hammer wird durch den Knochen dargestellt.
Das funktioniert bei einem Schlag oder Tritt natürlich nur, wenn der Ausführende extrem locker ist und absolut nur die für die Bewegung zuständige Muskulatur einsetzt. Jede unnötige Spannung verdirbt diesen Effekt.
Die harte Struktur (der Knochen) trifft und die “nach schwappenden” weichen Massen pressen die Faust oder den Fuss weiter ins Ziel. Der Impakt der weichen Masse erfolgt unmittelbar nach dem Impakt der Knochen, wodurch der Rückschlag verhindert bzw. stark reduziert wird. Das Ziel muss auf so die maximale Energie nehmen. Die Schlagwirkung ist ist ein relativ starker Schock der tief im Körper seine Wirkung entfaltet. Wegen der hohen Energieübertragung ist so ein Schlag selbst bei niedriger Geschwindigkeit noch unerwartet wirkungsvoll.
Wie die Erfahrung gezeigt hat, genügt eine einfache Anweisung wie “entspannt Schlagen” nicht um den Effekt zu reproduzieren, da die Beurteilung der eigenen Entspannung rein subjektiv ist. Das ist eine Sache, die erst einmal kultiviert werden muss.
Ein weitere Faktor für die Übertragung der optimalen Wirkung ist eine entspannte und dennoch starke Struktur, oder besser ein optimal organisierter Körper, der durch richtiges IMA Training kultiviert wird.
Am besten geeignet zum Erlernen dieser Art zu Schlagen sind nach meiner Erfahrung Partnerübungen mit leichten Schlägen auf die Brust bei denen der Partner jeweils Feedback gibt und die Wirkung beschreibt. Von “aussen” gesehen ist ein nach diesen Kriterien richtiger Schlag nicht von einem falschen Schlag zu unterscheiden. Man muss es spüren um den Unterschied zu bemerken.
An der Eberhard Karls Universität Tübingen gibt es interessante Studien zum Thema “Physik und ihre Anwendungen”. Besonders interessant im Zusammenhang mit dem Thema dieses Artikels ist die Simulation menschlicher Bewegung unter Berücksichtigung der “Schwabbelmassen”. Dazu gibt es auf der Homepage der Universität einen Vortrag in Form eines Videos. Um das Video anzusehen bitte zur Homepage der Uni gehen und in das Suchfeld “Physik und ihre Anwendungen” eingeben. Man lernt unter Anderem, das die Berücksichtigung der “Schwabbelmassen” die Vorausberechnung der eintretenden Effekte sehr schwierig macht. In einem Ausschnitt des umfangreichen Videos ist eine angenäherte, sehr umfangreiche Formel zu sehen, welche die Problematik erkennen lässt und welche nichts mehr mit den üblicherweise herangezogenen einfachen Formeln wie Masse * Geschwindigkeit oder Beschleunigung zu tun hat.
Die Überlistung der Körpersteuerung der Partners
Der Stützeffekt und seine Folgen ….
…. oder warum ein langsamer Schlag grosse Wirkung haben kann.
Wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren, richten Sie unbewusst ihre Körperstatik aufeinander aus. Das passiert schon ohne Kontakt durch kaum sichtbare Anpassungen und erst recht bei körperlichem Kontakt. Nähert man sich mit der flachen Hand der Brust des Partners um dort Druck auszuüben, bemerkt man, dass der Partner in der Regel noch vor der Berührung der Hand mit seiner Brust der Hand entgegenkommt, oder besser, sich in die Hand hinein lehnt um den zu erwartenden Druck auszugleichen bzw. abzufangen. Jeder Kampfkünstler mit ein wenig Erfahrung kennt diesen Effekt.
Gute Taijiquan Spieler nutzen diesen Effekt indem sie dem Gegenüber eine Stütze bieten und diese im richtigen Moment wegnehmen. Man spielt quasi mit den Reflexen des Anderen, was mitunter zu komisch anzusehenden Effekten führt. Die Effekte reichen vom Taumeln, Hinfallen bis zum Hochspringen wobei für das Hochspringen der Patellarsehnenreflex verantwortlich ist. Der Patellarsehnenreflex dient unter Anderem dazu einen Sturz durch reflexartiges Strecken der Beine zu verhindern und läuft daher sinnvollerweise unbewusst ab. Der Reflex ist über das Rückenmark gebahnt, weil der Weg über das Gehirn zu langsam wäre. Jeder kennt diesen Effekt, wenn der Arzt mit seinem Hämmerchen unter die Kniescheibe klopft und das Bein vorschnellt.
Ein schönes Beispiel, welches sehr gut zeigt, das der Stützeffekt auf unbewusster Ebene abläuft und kaum zu steuern ist, zeigt folgender Test:
Strecken Sie den linken Arm direkt nach vorne aus, so das er horizontal im Raum steht. Nun holen Sie mit dem rechten gestreckten Arm auf gleicher Höhe seitwärts weit aus. Nun schlagen Sie mit der Handfläche des gestreckten rechten Armes erst mal langsam in die linke Handfläche des stehenden Armes.
Wichtig: Der linke Arm soll seine Position im Raum nicht verlassen.
Nun wiederholen Sie die Schläge mit jeweils gesteigerter Geschwindigkeit und Schlaghärte. In aller Regel wird die linke Hand, die eigentlich stehen bleiben soll, der rechten Hand mit steigender Geschwindigkeit / Schlaghärte immer weiter und auch schneller entgegenkommen. Das ist ohne umfangreiche Dekonditionierung nicht zu unterdrücken und das ist gut so. Der Körper bereitet sich also mit Gegendruck, Spannung und Gegenbewegung auf den zu erwartenden Aufprall vor, egal ob man das will oder nicht. Es scheint so zu sein, das der Gegendruck ohne aktives Eingreifen immer genau dem zu erwartenden Druck entspricht.
Kurz gesagt, die Evolution hat durch dieses Regelsystem dafür gesorgt, das man ohne eigenes aktives Zutun optimal auf einen Aufprall vorbereitet ist.
Dieses Anpassungsreflexe werden durch Körperlesen ausgelöst, wobei die zu lesende Körpersprache offenbar so subtil sein kann, das man bewusst überhaupt nichts davon wahrnimmt. Da es sich um Reflexe handelt, die dem Überleben dienen, wäre eine Verlegung in das Bewusstsein einfach zu langsam und damit sinnlos.
Der Trick ist nun, das man sich entweder auf eine vollkommen andere Art als üblich bewegt, etwa durch Reduzierung von Körperschwingungen (ein anderes Thema), oder die sichtbare Bewegung und die damit verbundene Erwartung wie beim langsamen Schlag mit “Dead Shot Hammer” Effekt zum Beispiel nicht der tatsächlich eintretenden hohen Wirkung entspricht. Damit wird das unbewusste Regelsystem des Getroffenen unterlaufen und der Schlag trifft ihn, obwohl er ihn kommen sieht mit unerwarteter Härte und entsprechender Wirkung. Das ist wenn es gut gemacht wird vergleichbar mit einem überraschenden Schlag, der keinerlei Vorbereitung zulässt.
Viele der von manchen inneren Kampfkünstlern gezeigten eigenartigen “kontaktlosen” Demonstrationen beruhen auf dem Spiel mit diesen Reflexen.
Schlussbemerkung
Alle Theorie ist grau und somit beschreibt dieser Artikel nur das, was unter Setupbedingungen passiert. Natürlich ist es weitaus schwieriger den psychologischen Effekt im freien Kampf zu provozieren, da dieser Effekt es erfordert, das der Gegner die entsprechende Fehlinformation auch bekommt. Im Stress unter Adrenalin und Tunnelblick sind die Chancen dafür geringer als unter gestellten Testbedingungen wo der Partner klar und aufmerksam ist.
Text und Bilder copyright KHK